Patientin mit Schenkelhalsfraktur
Autor: Assoc. Prof. OA Priv.-Doz. Dr. Roland Kocijan
Facharzt für Innere Medizin,
Fachbereichsleiter Osteologie am Hanusch Krankenhaus
Senior Researcher Ludwig Boltzmann Institut für Osteologie und Traumatologie
Anamnese
Erstkontakt im Rahmen eines FLS (Fracture Liaison Service) auf der unfallchirurgischen Abteilung. Das FLS-Team wurde aufgrund einer rezenten Schenkelhals-Fraktur einer 83-jährigen Frau nach Sturz zu Hause informiert. Die chirurgische
Versorgung mittels Hüft-Total Endoprothese erfolgte bereits am Vortag.
Frühere Erkrankungen: art. Hypertonie, KHK (St.p. MCI), St.p. Radius-FX (2013),
St.p. Knie-TEP, Coxarthrose, Refluxoesophagitis, Polyneuropathie
Dauertherpie: Pantoprazol, T-ASS, Simvastatin, Calciumcarbonat, Bisoprolol, Lisinopril, Pregabalin, Triazolam, Metamizol
Sozialanamnese: Pat. geht mit Gehhilfe, Gangunsicherheit, 3 x tgl. Heimhilfe
Abb. 1: Röntgen. Schenkelhalsfraktur re. (präoperativ).
Parameter |
Wert |
Referenz |
|
|
|
25(OH)Vitamin D |
16 nmol/l |
75-250 |
PTH |
141 pg/dl |
12-88 |
Calcium |
2.2 mg/dl |
2.2-2.6 |
Krea |
1.6 mg/dl |
<1.1 |
GFR |
25 ml/min |
n.a. |
Cross-Laps (CTX) |
0.89 |
0.18-1.06 |
Osteocalcin |
22 ng/ml |
6.5-42.3 |
Tabelle 1: Labor.
Auflösung
Antworten 2, 3, 4 und 5 sind falsch.
Antwort 1 ist korrekt.
Bei der Pat. besteht eine klinisch-manifeste Osteoporose mit klarer Indikation zur erweiterten Therapie. Das Risiko spiegelt sich durch Geschlecht, Alter, Lokalisation der Fraktur und der Risikofaktoren (stattgehabte Frakturen in
der Vergangenheit, PPI) wider. Der FRAX ist entsprechend weit über dem nationalen Threshold (>20/5%). Die Evaluation des Sturzrisikos und eine Sturzprophylaxe sind für das FLS gefordert. Die Laboruntersuchung soll zum Ausschluss
sek. Ursachen dienen. Die Knochendichtemessung ist laut IOF im weiteren Verlauf gefordert, muss aber nicht unmittelbar nach Femurfraktur erfolgen.
Auflösung
Antworten 2, 4 und 5 sind falsch.
Antworten 1 und 3 sind korrekt.
CTX und Osteocalcin (OC) sind etablierte Knochenumbaumarker, die sich für das Therapiemonitoring sehr gut eignen, aber für die Therapieeinleitung nicht zwingend erforderlich sind (vergl. DVO-Leitlinie und Arznei&Vernunft). Nach
Fraktur beziehungsweise OP sind CTX und OC in der Regel auch entsprechend erhöht. Die Nierenfunktion (Kreatinin oder GFR) sollten bestimmt werden, um eine mögliche Kontraindikation für Bisphosphonate auszuschließen. Auch die
Hypokalzämie stellt eine KI für anti-resorptive Medikamente dar. PTH soll zum Ausschluss eines prim., sek. oder tertiären Hyperparathyreoidismus bestimmt werden.
Auflösung
Antworten 1, 2, 3 und 4 sind falsch.
Antwort 5 ist korrekt.
Die Laborkonstellation zeigt einen sek. Hyperparathyreoidismus im Rahmen einer hochgradigen Vitamin D-Insuffizienz. Es liegt somit sicherlich zumindest eine osteomalazische Komponente vor. Vor Beginn mit einer erweiterten Therapie
muss der Vitamin D-Mangel und der sek. Hyperparathyreoidismus ausgeglichen werden. Die laufende Substitution ist nicht ausreichend.
Eine orale Bisphosphonattherapie mit Risedronat scheint bei einer bestehenden Refluxoesophagitis und GFR <35 ml/min kontraindiziert. Selbes gilt für i.v. Zoledronat (KI bei GFR 25, wie bei unserer Patientin). Denosumab ist nach
Ausgleich des sek. Hyperpara sicher die Therapie der Wahl. Eine Teriparatidtherapie scheint aufgrund der fehlenden Vortherapie nicht angezeigt.
Die Patientin wurde im Rahmen des FLS identifiziert. Dieses strukturierte systematische Herangehen eines Fracture Liaison Service, hilft sekundäre Prävention zu leisten und eine Refraktur zu verhindern. Patient:innen werden nach einer osteoporotischen Fraktur identifiziert und eine entsprechende Osteoporosetherapie wird zeitnah eingeleitet. Damit kann die Behandlungslücke, die nach wie vor groß ist, verkleinert werden. Verschiedenste Programme wie zum Beispiel „Capture the Fracture“
(https://www.capturethefracture.org/) der IOF helfen mit, das Ziel des Schließens der Behandlungslücke zu erreichen. Aber auch im kleineren Rahmen ist die sekundäre Prävention umsetzbar und das mit der Unterstützung der Hausärztinnen und Hausärzte, vor allem wenn es darum geht die Therapie dieser chronischen Erkrankung über den, in Leitlinien empfohlenen Zeitraum, fortzusetzen.