Bericht

Diese Seite ist nur für medizinisches Fachpersonal in Österreich bestimmt.

Ich bestätige, dass ich Angehöriger der medizinischen Fachkreise bin.

Hier klicken

Ich bin kein Angehöriger der medizinischen Fachkreise

Hier klicken

31. Osteoporoseforum Sankt Wolfgang

(13.-15.4.2023, Hotel Scalaria, Sankt Wolfgang)

Osteoporose als chronische Erkrankung Risikofaktoren beachten!

Osteoporose ist eine chronische Erkrankung mit einem dauerhaft erhöhten Frakturrisiko, wie in der aktuell gültigen österreichischen Osteoporose-Leitlinie betont wird.1 „Immerhin erleiden in Österreich jährlich mehr als 93.000 Menschen eine osteoporotische Fraktur“2, erinnerte Kongresspräsidentin Prof.in Dr.in Astrid Fahrleitner-Pammer, MedUni Graz, in ihren einleitenden Worten beim 31. Osteoporoseforum in Sankt Wolfgang.

Krankheitslast der Osteoporose

„Das entspricht der Einwohnerzahl von Klagenfurt“, veranschaulichte Dr.in Judith Haschka, 1. Medizinische Abteilung, Hanusch-Krankenhaus, Ludwig Boltzmann Institut für Osteologie und Rheuma-Zentrum Wien-Oberlaa, alle in Wien, beim Amgen-SymposiumA das Ausmaß der Osteoporose als Volkskrankheit. Die Erkrankung ist durch ein erhöhtes Frakturrisiko charakterisiert, verursacht durch mehrere Faktoren wie eine verminderte Knochenmasse, eine mikroarchitektonische Störung des Knochengewebes und eine verminderte Mineralisierung des Knochens. Prädilektionsstellen für osteoporotische Frakturen sind die Wirbelkörper der Brust- und Lendenwirbelsäule, das proximale Femur, der distale Radius sowie der proximale Humerus. Diese Frakturen werden auch als Major Osteoporotic Fractures (MOF) zusammengefasst.1
Die Krankheitslast der Osteoporose wird durch die aktuellen SCOPE-Daten untermauert: Komplikationen nach einer osteoporotischen Fragilitätsfraktur sind die dritthäufigste Todesursache in Europa, nach Todesfällen als Folge von ischämischen Herzerkrankungen und Demenzerkrankungen, wie Daten aus Schweden zeigen.3 Wie bei anderen chronischen Erkrankungen auch bedarf es daher einer exakten Diagnose und einer anhaltenden Therapie, um das mit der Erkrankung assoziierte Frakturrisiko zu senken.

Hohes Refrakturrisiko nach erster Fraktur

„Im Idealfall erkennen wir Risikopatientinnen und -patienten bereits vor der ersten Fraktur und können im Sinne einer Primärprävention entsprechend intervenieren“, betonte Haschka. „Nach einer osteoporotischen Fraktur müssen wir jedenfalls im Sinne einer Sekundärprävention eine spezifische Osteoporosetherapie anbieten, denn gerade in den ersten Monaten nach einer solchen Indexfraktur ist das Refrakturrisiko besonders hoch.4“ Allerdings erhalten in Österreich nur zwei von zehn Frauen und einer von zehn Männern nach einem solchen Ereignis eine ausreichende spezifische Osteoporosetherapie.5 Nach einer Hüftfraktur, bei der nachweislich die Sterblichkeit drastisch erhöht ist, erhalten 80% der Betroffenen in Österreich keine spezifische Osteoporosebehandlung.6

Lebensalter und Sarkopenie

„Die allgemeinen Risikofaktoren für Osteoporose sind vor allem höheres Lebensalter und weibliches Geschlecht, aber auch Lebensstil-assoziierte Faktoren wie Bewegungsmangel, Rauchen und natürlich Frakturen in der Anamnese, insbesondere vertebrale Frakturen“1, fasste Haschka zusammen. Der Faktor Alter ist zudem mit einem erhöhten Risiko für Verlust an Körpermasse, Sarkopenie genannt, verbunden. Sarkopenie wird definiert als fortschreitender, generalisierter Verlust der Muskelmasse und der Muskelfunktion.7 Bei zumindest einem Drittel der älteren Patientinnen und Patienten bestehen Überschneidungen zwischen Osteoporose und Sarkopenie,8 sodass sich der Begriff Osteosarkopenie langsam etabliert. Zudem ist die Muskelmasse bei osteoporotischen Frakturen häufig reduziert, wie im Rahmen einer weiteren SessionB erklärt wurde.9
Demnach sind Muskel und Knochen durch „muscle-bone crosstalk“ eng miteinander verknüpft.10 So zeigte etwa die Phase-3-Zulassungsstudie für den RANKL-Inhibitor Denosumab eine signifikante Sturzreduktion um 19 Prozent versus Placebo – was damals als „Nebenwirkung“ der Behandlung registriert wurde.11 Einer retrospektiven gepoolten Analyse zufolge konnte Denosumab das Risiko für Stürze um 21 Prozent versus Placebo verringern.12

Sekundäre Osteoporosen

„In der klinischen Routine müssen wir weiters auf die typischen Ursachen einer sekundären Osteoporose achten“, erinnerte Haschka. Dazu zählen Grunderkrankungen wie Herzinsuffizienz, Hypothyreose, primärer Hyperparathyreoidismus, Diabetes mellitus und Hypogonadismus, aber auch chronisch-entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis (RA), Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sowie Atemwegserkrankungen.1 Für manche dieser Entitäten stehen eigene Osteoporose-Leitlinien zur Verfügung.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Haschka veranschaulichte am Beispiel der chronischen-entzündlichen Darmerkrankungen (CED): „Es besteht eine eindeutige Korrelation zwischen der Krankheitsdauer, der Krankheitsaktivität und additiven Risikofaktoren wie systemischer Inflammation, Malabsorption und einem niedrigen Body Mass Index einerseits und einer verminderten Knochenmineraldichte andererseits.“13 So seien beispielsweise proinflammatorische Zytokine direkt mit einer Aktivierung von Osteoklasten assoziiert, beschrieb Haschka grundlegende pathophysiologische Zusammenhänge zwischen Knochengesundheit und CED.14 „Studien zufolge ist das Risiko für Hüftfrakturen in Österreich für CED-Patientinnen und -Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das 2,2-Fache erhöht.“15 Darüber hinaus gelten systemische Glukokortikoidtherapien, wie sie bei CED häufig verabreicht werden, als unabhängige Risikofaktoren für Glukokortikoid-induzierte Osteoporose. „Wir sollten daher höhere Steroiddosierungen über einen Zeitraum von länger als drei Monaten meiden, und wenn dies nicht möglich ist, an diesen Risikofaktor für den Knochen denken und entsprechend der Leitlinie handeln.“1,16
Zudem sind bei der Therapie der Osteoporose allfällige Kontraindikationen etwa wegen eingeschränkter Nierenfunktion zu beachten, aber auch individuell geeignete Verabreichungswege zu wählen. Haschka verdeutlichte: „Bei CED und anderen gastrointestinalen Erkrankungen mit Indikation zur antiresorptiven Therapie werden wir uns in der Regel für eine parenterale Formulierung entscheiden.“

Rheumatologische Erkrankungen

OA Dr. Gregor Holak, Klinik Ottakring, Wien, ergänzte in seinem Vortrag:A „Auch rheumatologische Grunderkrankungen wie die RA sind etablierte Risikofaktoren für Osteoporose.“1 Veränderungen der Knochenarchitektur konnten aber auch bei der Psoriasis-Arthritis (PsA) dargestellt werden.17 „Bei PsA ist vor allem der trabekuläre Knochen von den Umbauprozessen betroffen, bei RA sowohl die kortikalen als auch die trabekulären Knochenanteile“17, differenzierte Holak.
Sekundäre Einflussfaktoren verstärken die Krankheitslast. „Neben der Dauer und der Aktivität der Erkrankung müssen wir vor allem auf eine Begleitmedikation mit Kortison achten. Fragen Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten gezielt nach“, so der Wiener Rheumatologe. „Wir erleben es in der Praxis immer wieder, dass eine Kortisontherapie, die einmal begonnen wurde, niemals abgesetzt wird.“ Der Benefit von Kortison bei hochentzündlichen Krankheitsbildern sei unbestritten, unterstrich Holak. „Wir müssen aber die Indikation sehr streng stellen, eine möglichst kurzzeitige Therapiedauer anstreben und dürfen auch bei jüngeren Personen das Risiko einer Kortisontherapie nicht vernachlässigen.“
Immerhin würden 30 bis 50 Prozent der langfristig mit oralen Glukokortikoiden behandelten Patientinnen und Patienten im Verlauf eine Fraktur erleiden.18 „Dieser Arbeit nach steigt das Frakturrisiko schon bei Glukokortikoiddosen oberhalb von 2,5mg Prednisolon-Äquivalent an.“18 Zwar sei das Risiko für eine Glukokortikoid-induzierte Osteoporose (GIOP) dosisabhängig, so Holak. „Letztlich aber gilt: Es gibt wohl keine Kortisondosis, die sicher für den Knochen ist!“19

Denosumab bei verschiedenen Populationen

Der gegen RANKL gerichtete monoklonale Antikörper Denosumab wird subkutan alle sechs Monate verabreicht. Das Medikament ist indiziert zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen.20 In dieser Population vermindert Prolia signifikant das Risiko für vertebrale, nicht-vertebrale und Hüftfrakturen.11 Denosumab ist weiters zur Behandlung der GIOP und zur Behandlung des erhöhten Frakturrisikos bei Männern mit Prostatakarzinom und hormonablativer Therapie zugelassen.20 „Zu beachten ist der Abfall der Knochenmineraldichte nach Absetzen der Denosumab-Therapie“21, erinnerte Haschka. „Daher sollte ein Absetzen von Denosumab kritisch evaluiert werden und immer eine Konsolidierungstherapie mit Zoledronsäure folgen. Ebenso wie bei einer anabolen Therapie ist eine Konsolidierungstherapie obligat.“22 Die Wirksamkeit von Denosumab wurde inzwischen umfangreich geprüft, wie nachfolgend am Beispiel spezieller Populationen mit besonderen Risikofaktoren zusammengefasst wird.

Hormonelle Risikofaktoren

So gelten auch Östrogen- und Testosteronmangel als starke Risikofaktoren für Osteoporose. „Neben Personen mit unterschiedlichen Formen des Hypogonadismus sind vor allem Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom, die einen Aromatasehemmer (AI) erhalten, sowie Männer mit Prostatakarzinom und hormonablativer Therapie gefährdet, eine Osteoporose zu entwickeln.“1
Für Betroffene gibt es allerdings wirksame Behandlungsmöglichkeiten: So zeigte etwa Denosumab bei Männern mit hormonablativer Therapie eine signifikante Reduktion des Risikos für neue vertebrale Frakturen nach drei Jahren (1,5% Denosumab versus 3,9% Placebo; p=0,004).23

Abfall des Östrogenspiegels

„Das hohe Frakturrisiko unter AI-Therapie wiederum ist vor allem auf den ausgeprägten Abfall des Östrogenspiegels mit besonders hohem Knochenturnover zurückzuführen“,24 so Haschka. Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Denosumab bei Frauen mit Mammakarzinom und adjuvanter Therapie mit Aromatasehemmern (AI) wurde in der randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten ABCSG-18-Studie untermauert, der einzigen Studie in dieser Population mit Frakturreduktion als primären Endpunkt. Die Studiendaten wurden ausführlicher in einer gynäkologischen SessionC besprochen. Demnach kam es unter Denosumab 60mg subkutan alle sechs Monate zu einer signifikanten, 50-prozentigen Risikoreduktion für klinische Frakturen (176 Frakturen unter Placebo versus 92 unter Denosumab; HR 0,50 [KI 0,39–0,65]; p<0,0001).25 Dieser Effekt von Denosumab war unabhängig vom Alter der Patientinnen und von der Ausgangs-BMD zu beobachten.

Denosumab beim Mammakarzinom

Inzwischen liegen die finalen Daten der Protokoll-definierten Analyse vor.26 Das mediane Follow-up betrug acht Jahre. Der Effekt des RANKL-Inhibitors verstärkte sich über die Zeit. Adjuvantes Denosumab 60mg alle sechs Monate während der AI-Therapie konnte das langfristige krankheitsfreie Überleben (DFS; disease free survival) um knapp fünf Prozent versus Placebo verbessern. In der Placebogruppe gab es 368 Patientinnen mit DFS, versus 309 unter Placebo (HR 0,83; [KI 0,71–0,97]).26 Auch beim Knochenmetastasen-freien Überleben und beim Gesamtüberleben gab es in der Langzeitanalyse signifikante Vorteile in der Denosumab-Gruppe.26 Die in den bisher veröffentlichten Analysen25,27 berichtete Reduktion von klinischen Frakturen persistierte auch in der Langzeitanalyse (201 Frakturen unter Denosumab, 255 unter Placebo). Nach Beendigung der Denosumab-Therapie gab es keinen Anstieg von Frakturen insgesamt. Allerdings gab es bei wenigen Patientinnen unter Denosumab eine erhöhte Wirbelkörperfrakturrate.26 Eine Folgetherapie mit Zoledronsäure wird daher aktuell untersucht (ABCSG-18-ZA).

Osteoporose im klinischen Alltag

Zusammenfassung einzelner Teaching Courses

Wesentliche Säulen der Diagnostik einer Osteoporose sind das Erfassen von Risikofaktoren und von sekundärer Osteoporose, die bildgebenden, klinischen und laborchemischen Untersuchungen sowie die Bestimmung des Frakturrisikos. Die Therapie der Osteoporose orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen und Risikoprofilen der Patientinnen und Patienten. Zu berücksichtigen sind neben dem Frakturrisiko jedenfalls Lebensalter, Begleiterkrankungen und allfällige Kontraindikationen.1 Diese Grundlagen der Osteoporoseversorgung wurden im Rahmen des 31. Osteoporoseforums in Sankt Wolfgang in innovativen Teaching Courses (am 15.4.2023) beleuchtet, die nachfolgend auszugsweise zusammengefasst sind.D

Bildgebende Diagnostik

Den Goldstandard der nichtinvasiven Verfahren zur Beurteilung der Knochenmineraldichte (BMD) stellt die Knochendichtemessung mittels DXA dar. Nur der mittels DXA erhobene T-Score ist für alle verfügbaren Risikorechner und Leitlinien anwendbar. DXA-Messungen sind mit einer niedrigen Strahlenbelastung assoziiert, und es stehen in Österreich ausreichend Geräte zur Verfügung, sodass diese Untersuchung leicht zugänglich ist.
Die Ergebnisse der DXA-Messung sind jedoch von äußeren Einflussfaktoren abhängig, falschpositive und falschnegative Befunde im Einzelfall daher nicht auszuschließen. Wesentliche Einflussfaktoren sind etwa die korrekte Positionierung, die Messlokalisationen, der Fettanteil, bestimmte Artefakte sowie auch Unterschiede der Ergebnisse zwischen den einzelnen Geräten unterschiedlicher Hersteller. Verlaufsmessungen sind daher idealerweise am selben Gerät durchzuführen, um eine möglichst präzise Aussage über den Verlauf der Knochendichte vor und unter einer laufenden Therapie zu ermöglichen.
Die DXA-Messung allein ist jedoch hinsichtlich des tatsächlichen Knochenbruchrisikos nicht aussagekräftig. Alle bildgebenden Befunde zur Abschätzung des individuellen Frakturrisikos sind daher im Kontext der klinischen Risikofaktoren zu interpretieren. Bei bestimmten Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus Typ II ist die Knochendichte häufig nur gering reduziert und bildet das reale Frakturrisiko nicht ab. Hier kann ergänzend der Trabecular Bone Score (TBS) hilfreich sein.28 TBS, ein Texturparameter, kann wertvolle zusätzliche Information über das trabekuläre Netzwerk der Lendenwirbelkörper ohne zusätzliche Untersuchung berechnen. Die aktuelle Version des TBS ist jedoch nur innerhalb eines Body-Mass-Bereichs von etwa 15 bis 37kg/m2 validiert.29 Die neueste Version von TBS ist bereits entwickelt, mit dem Vorteil, dass eine Messung der Weichteildicke erfolgt und dafür korrigiert wird, was insbesondere bei einem hohen Körperstammfettanteil von Vorteil ist.30 Andere bildgebende Verfahren wie HR-pQCT, DXL und QCT eignen sich für spezielle oder ergänzende osteologische Fragestellungen, nicht aber für die klinische Routineabklärung.

Osteologisches Labor

Teil der Basisdiagnostik ist die osteologische Labordiagnostik.1 Das große Basislabor wird empfohlen, um nach häufigen Ursachen für sekundäre Osteoporosen zu fahnden und um Kontraindikationen und Einschränkungen für spezifische osteologische Therapien auszuschließen, etwa Störungen im Kalzium- und Phosphathaushalt oder Nierenfunktionseinschränkungen.1 Spezielle Laborparameter im osteologischen Setting umfassen unter anderem Vitamin D zur Differenzialdiagnose einer Osteoporose und Osteomalazie, (idealerweise) ionisiertes Kalzium, Parathormon, Alkalische Phosphatase, Kortisol, Serumelektrophorese und Knochenumbaumarker, wobei Letztere nicht für die Erstdiagnose, sondern vor allem für die Verlaufskontrolle relevant sind. Bei jüngeren prämenopausalen Patientinnen mit Verdacht auf Osteoporose sollte der Hormonstatus erhoben werden, um eine frühzeitige Menopause zu detektieren.

Bestimmung des Frakturrisikos

Zur Bestimmung des Frakturrisikos bei Osteoporose werden Scores herangezogen, die auf etablierten Risikofaktoren basieren. Die acht wichtigsten etablierten Risikofaktoren für Osteoporose sind Alter, Frakturen nach dem 50. Lebensjahr, anamnestische Hüftfrakturen der Eltern, Glukokortikoideinnahme, RA, BMI, gegenwärtiges Rauchen sowie ein erhöhter Alkoholkonsum. Diese Risikofaktoren beeinflussen das individuelle Frakturrisiko weitgehend unabhängig von der BMD und wurden durch aussagekräftige Meta-Analysen bestätigt.31 Darauf basierend wurde der FRAX®-Algorithmus entwickelt und für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen validiert. Basierend auf dem FRAX®-Modell wird in den aktuell gültigen österreichischen Osteoporoseleitlinien derzeit ein Zehn-Jahres-Frakturrisiko von ≥20 Prozent für MOF und fünf Prozent für Femurfrakturen als sinnvolle Therapieschwelle betrachtet.1

Österreich-spezifische Risiko- und Behandlungsschwellen

FRAX® ist der einzige Risikorechner, der mit österreichspezifischen Hüftfrakturinzidenz- sowie Mortalitäts-Daten kalibriert ist, sodass es möglich und auch sinnvoll ist, FRAX®-basierte Österreich-spezifische Risiko- und Behandlungsschwellen zu berechnen.32
Abb.: Altersspezifische Risiko- und Behandlungsschwellen für Österreich (modifiziert nach Dimai HP et al.)21
Die auf zwei österreichischen Kohorten basierenden neuen altersabhängigen Interventionsschwellen führen zu einer erheblichen Verbesserung der „Treffsicherheit“ einer Osteoporosebehandlung. In der Vergangenheit wurden vor allem Patientinnen und Patienten bis zum 70. Lebensjahr häufig nicht behandelt, weil sie die fixe Behandlungsschwelle von 20 Prozent für die MOFs noch nicht erreicht hatten. Im neuen Risikomodell wird je nach Ergebnis im FRAX® und abhängig vom Lebensalter ein niedriges, intermediäres, hohes oder sehr hohes Frakturrisiko erreicht. Personen im grünen Bereich (unterhalb der unteren Assessment-Schwelle) haben ein niedriges Zehn-Jahres-Risiko für MOF und bedürfen daher aktuell keiner Osteoporose-spezifischen Behandlung. Personen, die im intermediären (gelben) Bereich zwischen der unteren und der oberen Assessment-Schwelle liegen, sollten eine Knochendichtemessung mittels DXA durchführen lassen. Je nach Ergebnis wird dann die Behandlungsschwelle überschritten, oder eben nicht.32
Oberhalb der Interventionsschwelle und im roten Bereich (oberhalb der oberen Assessment-Schwelle) wird eine Behandlung empfohlen. Bei sehr hohem Risko ist auch primär eine osteoanabole Therapie zu erwägen. Die heimischen Leitlinien werden aktuell entsprechend aktualisiert, das neue Risikomodell kann auch über die Homepage der ÖGKM abgerufen werden.

Interventionen bei Osteoporose

Lebensstilmodifikationen sind für alle Personen mit Osteoporoserisiko zu empfehlen, auch wenn sie unterhalb der Interventionsschwelle aus dem aktualisierten österreichischen Risikomodell liegen.1,32 Personen mit Osteopenie und Osteoporose sollten für die primäre und sekundäre Frakturprävention jedenfalls ihre motorischen Grundeigenschaften durch regelmäßige körperliche Aktivität und entsprechendes Training gezielt stärken.

Körperliche Aktivität

Ein altersbedingter Verlust an Muskel- und Knochenmasse erhöht das Sturzrisiko, und Stürze gelten als wesentliche Ursachen für das Frakturrisiko im höheren Lebensalter. Internationale Trainingsempfehlungen forcieren insbesondere gewichtsbelastendes Training, Krafttraining (zwei- bis dreimal die Woche) sowie idealerweise tägliches, in den Alltag integriertes Balancetraining.33 Das Programm soll individuell erstellt und gegebenenfalls angepasst werden, etwa bei Personen nach Wirbelkörperfrakturen.34

Kalzium und Vitamin D

Ein ausgeglichener Vitamin-D-Spiegel ist essenziell für die Kalzium-Phosphat-Homöostase im Serum. Dieses Gleichgewicht sichert neben verschiedenen Stoffwechsel- und neuromuskulären Funktionen auch die Knochenmineralisation und kann das Fraktur- und Sturzrisiko verringern, insbesondere bei älteren Personen. Eine Substitution mit Kalzium und Vitamin D ist daher Bestandteil jeder spezifischen Osteoporosetherapie.1
Folgende Dosierungen haben sich bei osteologischen Risikopopulationen als geeignet für die Praxis erwiesen: Kalzium zwischen 500 und 1.200mg/Tag, Vitamin D zwischen 800 und 2.000 IU/Tag. Eine Überdosierung von Vitamin D ist zu vermeiden. Niedrige Vitamin-D- und Kalziumspiegel sowie erhöhte Parathormonspiegel sind vor Beginn einer spezifischen Osteoporosetherapie auszugleichen.

Spezifische Osteoporosetherapie

Alle Patientinnen und Patienten mit der Indikation für eine spezifische Therapie idealerweise vor Auftreten der Erstfraktur, aber spätestens bei Vorliegen einer osteoporotischen Signalfraktur, sollen eine spezifische Osteoporosetherapie erhalten.1
Zu den gängigen spezifischen Osteoporosemedikamenten zählen antiresorptiv wirksame Subtanzen wie Bisphosphonate und Denosumab sowie osteoanabol wirksame Substanzen. Bisphosphonate füllen die „Lücken“, die durch knochenabbauende Prozesse („Remodeling“) am Knochen entstanden sind, eine kontinuierliche Zunahme der BMD ist nach „Lückenschluss“ nicht mehr möglich. Unter Denosumab hingegen persistiert die Knochenformation durch Modeling, das Remodeling wird gehemmt.35 Im Gegensatz zur Therapie mit Bisphosphonaten kommt es unter Denosumab daher auch über einen längeren Zeitraum zu einer kontinuierlichen BMD-Zunahme.36 Denosumab ist somit innerhalb des antikatabolen Spektrums das einzige Pharmakon, das mit einem kontinuierlichen BMD-Zuwachs assoziiert ist. Einschränkend wurde in den Teaching Courses erinnert, dass ein Nichtanstieg der BMD unter laufender antikataboler Therapie kein Hinweis auf eine fehlende frakturreduzierende Wirkung einer Substanz ist. Auf eine gute Mund- und Zahnhygiene ist auch unter Therapie zu achten. Bereits geplante Sanierungen (insbesondere z.B. Zahnextraktionen) sollten durch den behandelnden Zahnarzt zeitnah durchgeführt werden. Bei allen anderen Patientinnen und Patienten sollte die Therapieeinleitung einer spezifischen Osteoporosetherapie bei hohem Frakturrisiko jedoch möglichst nicht verzögert werden.

Therapiedauer

Die Dauer einer spezifischen Osteoporosetherapie basiert auf einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung.1 Auch gibt es keine durch Frakturdaten validierten individuellen Entscheidungskriterien für die Wiederaufnahme einer Therapie nach einer Pause, so das Fazit in der aktuellen Leitlinie.1 Bei Knochenbrüchen unter laufender Therapie ist jedenfalls die Adhärenz insbesondere unter oraler Medikation zu prüfen und gegebenenfalls eine Therapieumstellung zu erwägen.1 In den aktuellen britischen Leitlinie wird ebenso auf die Notwendigkeit einer Langzeitbehandlung bei Osteoporose verwiesen.16

Veränderungen beachten

In der Praxis sollte bei jedem Kontakt mit Patientinnen und Patienten nach rezenten gesundheitsbezogenen Ereignissen gefragt werden, um Veränderungen im Osteoporoserisiko zu detektieren. Dazu zählen die Einnahme zusätzlicher Medikamente und die Diagnose von neuen Grunderkrankungen.

Der Gesamttext wurde fachlich von Prof.in Dr.in Astrid Fahrleitner-Pammer, MedUni Graz, und OÄ Dr.in Judith Haschka, Wien, vidiert.
  • A) „Risiken erkennen – Frakturen verhindern. Interaktive Fallpräsentationen zu sekundären Osteoporosen.“ Symposium der Firma Amgen, 14.4.2023, Osteoporoseforum Sankt Wolfgang
  • B) Vortrag „Sarkopenie – der stille Begleiter“, 13.4.2023, Osteoporoseforum, Sankt Wolfgang
  • C) Vortrag „Knochen und Krebs: Ein Update – Verbesserung des Überlebens“, 15.4.2023, Osteoporoseforum, Sankt Wolfgang
  • D) Teaching Courses am 15.4.2023, Osteoporoseforum Sankt Wolfgang
  1. 1) Arznei & Vernunft „Osteoporose”, Juli 2017; www.arzneiundvernunft.at (Zugriff 01.05.2023)
  2. 2) Muschitz C et al. Osteoporos Int 2022; 33(3):637-647
  3. 3) Kanis JA et al. Arch Osteoporos 2021; 16:82
  4. 4) van Geel TACM, et al. Ann Rheum Dis. 2009;68:99-102.
  5. 5) Malle O et al. Bone 2021; 142:115071
  6. 6) Behanova M et al. Calc Tissue International 2019; 105(6):630-641
  7. 7) Cruz-Jentoft AJ, Sayer AS; Lancet 2019; 393(10191):2636–2646
  8. 8) Huo YR et al. J Am Med Dir Assoc 2015; 16(4):290-5
  9. 9) Drey M et al. Aging Clin Exp Res 2016; 28:895-899
  10. 10) Brotto M, Bonewald L. Bone 2015; 80:109-114
  11. 11) Cummings SR et al. N Engl J Med 2009; 361(8):756-765
  12. 12) Chotiyarnwong P et al. J Bone Miner Res 2020; 35(6):1014-1021
  13. 13) Schoon EJ et al. Gastroenterology 2000; 119(5):1203-1208
  14. 14) van Bodegraven AA, Bravenboer N. Osteoporos Int 2020; 31(4):637-646
  15. 15) Bartko J et al. J Crohns Colitis 2020; 14(9):1256–1263
  16. 16) NOGG 2021: Clinical guideline for the prevention and treatment of osteoporosis. https://www.nogg.org.uk/full-guideline (Zugriff 01.05.2023)
  17. 17) Kocijan R et al. J Bone Min Res 2015; 30(10):1775-1783
  18. 18) Freier D et al. Z Rheumatol 2019; 78(8):775-788
  19. 19) Staa TP et al J Bone Min Res 2000; 15(6): 993-1000
  20. 20) Fachinformation Prolia®, Stand Jänner 2020
  21. 21) Popp AW et al. Calcif Tissue Int 2018; 103(1):50-54
  22. 22) Tsourdi E et al. Fracture risk and management of discontinuation of denosumab
  23. 23) Lipton A et al. Clin Med Insights Oncol 2012; 6:287–303
  24. 24) Nicks KM et al. Ann NY Acad Sci 2010; 1192:153–160
  25. 25) Gnant M et al. Lancet 2015; 386:433–443
  26. 26) Gnant M et al. NEJM Evid 2022; 1(12). DOI: 10.1056/EVIDoa2200162
  27. 27) Gnant M et al. Lancet Oncol 2019; 20:339–351
  28. 28) Muschitz C et al. Wien Klin Wochenschr 2019; 131:s174–s185
  29. 29) Sasithorn A et al. BMC Musculoskelet Disord 2016; 17: 17
  30. 30) Shevroja E et al. J Bone Miner Res 2019; 34(12):2229-2237
  31. 31) Kanis JA et al. Osteoporos Int 2008; 19:385-97
  32. 32) Dimai HP et al. Arch Osteopor 2022; 17:141
  33. 33) Izquierdo M et al. J Nutr Health Aging 2021; 25(7):824-853
  34. 34) Ponzano M et al. Osteoporos Int 2023; Feb 17. doi: 10.1007/s00198-023-06688-9. Online ahead of print.
  35. 35) Dempster DW et al. J Bone Miner Res 2020; 35(7):1282-1288
  36. 36) Ried IR. Nat Rev Endocrinol 2015; 11(7):418–28