Krankheitslast der Osteoporose
„Das entspricht der Einwohnerzahl von Klagenfurt“, veranschaulichte Dr.in Judith Haschka, 1. Medizinische Abteilung, Hanusch-Krankenhaus, Ludwig Boltzmann Institut für Osteologie und Rheuma-Zentrum Wien-Oberlaa, alle in Wien, beim Amgen-SymposiumA das Ausmaß der Osteoporose als Volkskrankheit. Die Erkrankung ist durch ein erhöhtes Frakturrisiko charakterisiert, verursacht durch mehrere Faktoren wie eine verminderte Knochenmasse, eine mikroarchitektonische Störung des Knochengewebes und eine verminderte Mineralisierung des Knochens. Prädilektionsstellen für osteoporotische Frakturen sind die Wirbelkörper der Brust- und Lendenwirbelsäule, das proximale Femur, der distale Radius sowie der proximale Humerus. Diese Frakturen werden auch als Major Osteoporotic Fractures (MOF) zusammengefasst.1
Die Krankheitslast der Osteoporose wird durch die aktuellen SCOPE-Daten untermauert: Komplikationen nach einer osteoporotischen Fragilitätsfraktur sind die dritthäufigste Todesursache in Europa, nach Todesfällen als Folge von ischämischen Herzerkrankungen und Demenzerkrankungen, wie Daten aus Schweden zeigen.3 Wie bei anderen chronischen Erkrankungen auch bedarf es daher einer exakten Diagnose und einer anhaltenden Therapie, um das mit der Erkrankung assoziierte Frakturrisiko zu senken.
Hohes Refrakturrisiko nach erster Fraktur
„Im Idealfall erkennen wir Risikopatientinnen und -patienten bereits vor der ersten Fraktur und können im Sinne einer Primärprävention entsprechend intervenieren“, betonte Haschka. „Nach einer osteoporotischen Fraktur müssen wir jedenfalls im Sinne einer Sekundärprävention eine spezifische Osteoporosetherapie anbieten, denn gerade in den ersten Monaten nach einer solchen Indexfraktur ist das Refrakturrisiko besonders hoch.4“ Allerdings erhalten in Österreich nur zwei von zehn Frauen und einer von zehn Männern nach einem solchen Ereignis eine ausreichende spezifische Osteoporosetherapie.5 Nach einer Hüftfraktur, bei der nachweislich die Sterblichkeit drastisch erhöht ist, erhalten 80% der Betroffenen in Österreich keine spezifische Osteoporosebehandlung.6
Lebensalter und Sarkopenie
„Die allgemeinen Risikofaktoren für Osteoporose sind vor allem höheres Lebensalter und weibliches Geschlecht, aber auch Lebensstil-assoziierte Faktoren wie Bewegungsmangel, Rauchen und natürlich Frakturen in der Anamnese, insbesondere vertebrale Frakturen“1, fasste Haschka zusammen. Der Faktor Alter ist zudem mit einem erhöhten Risiko für Verlust an Körpermasse, Sarkopenie genannt, verbunden. Sarkopenie wird definiert als fortschreitender, generalisierter Verlust der Muskelmasse und der Muskelfunktion.7 Bei zumindest einem Drittel der älteren Patientinnen und Patienten bestehen Überschneidungen zwischen Osteoporose und Sarkopenie,8 sodass sich der Begriff Osteosarkopenie langsam etabliert. Zudem ist die Muskelmasse bei osteoporotischen Frakturen häufig reduziert, wie im Rahmen einer weiteren SessionB erklärt wurde.9
Demnach sind Muskel und Knochen durch „muscle-bone crosstalk“ eng miteinander verknüpft.10 So zeigte etwa die Phase-3-Zulassungsstudie für den RANKL-Inhibitor Denosumab eine signifikante Sturzreduktion um 19 Prozent versus Placebo – was damals als „Nebenwirkung“ der Behandlung registriert wurde.11 Einer retrospektiven gepoolten Analyse zufolge konnte Denosumab das Risiko für Stürze um 21 Prozent versus Placebo verringern.12
Sekundäre Osteoporosen
„In der klinischen Routine müssen wir weiters auf die typischen Ursachen einer sekundären Osteoporose achten“, erinnerte Haschka. Dazu zählen Grunderkrankungen wie Herzinsuffizienz, Hypothyreose, primärer Hyperparathyreoidismus, Diabetes mellitus und Hypogonadismus, aber auch chronisch-entzündliche Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis (RA), Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sowie Atemwegserkrankungen.1 Für manche dieser Entitäten stehen eigene Osteoporose-Leitlinien zur Verfügung.
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Haschka veranschaulichte am Beispiel der chronischen-entzündlichen Darmerkrankungen (CED): „Es besteht eine eindeutige Korrelation zwischen der Krankheitsdauer, der Krankheitsaktivität und additiven Risikofaktoren wie systemischer Inflammation, Malabsorption und einem niedrigen Body Mass Index einerseits und einer verminderten Knochenmineraldichte andererseits.“13 So seien beispielsweise proinflammatorische Zytokine direkt mit einer Aktivierung von Osteoklasten assoziiert, beschrieb Haschka grundlegende pathophysiologische Zusammenhänge zwischen Knochengesundheit und CED.14 „Studien zufolge ist das Risiko für Hüftfrakturen in Österreich für CED-Patientinnen und -Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung um das 2,2-Fache erhöht.“15 Darüber hinaus gelten systemische Glukokortikoidtherapien, wie sie bei CED häufig verabreicht werden, als unabhängige Risikofaktoren für Glukokortikoid-induzierte Osteoporose. „Wir sollten daher höhere Steroiddosierungen über einen Zeitraum von länger als drei Monaten meiden, und wenn dies nicht möglich ist, an diesen Risikofaktor für den Knochen denken und entsprechend der Leitlinie handeln.“1,16
Zudem sind bei der Therapie der Osteoporose allfällige Kontraindikationen etwa wegen eingeschränkter Nierenfunktion zu beachten, aber auch individuell geeignete Verabreichungswege zu wählen. Haschka verdeutlichte: „Bei CED und anderen gastrointestinalen Erkrankungen mit Indikation zur antiresorptiven Therapie werden wir uns in der Regel für eine parenterale Formulierung entscheiden.“
Rheumatologische Erkrankungen
OA Dr. Gregor Holak, Klinik Ottakring, Wien, ergänzte in seinem Vortrag:A „Auch rheumatologische Grunderkrankungen wie die RA sind etablierte Risikofaktoren für Osteoporose.“1 Veränderungen der Knochenarchitektur konnten aber auch bei der Psoriasis-Arthritis (PsA) dargestellt werden.17 „Bei PsA ist vor allem der trabekuläre Knochen von den Umbauprozessen betroffen, bei RA sowohl die kortikalen als auch die trabekulären Knochenanteile“17, differenzierte Holak.
Sekundäre Einflussfaktoren verstärken die Krankheitslast. „Neben der Dauer und der Aktivität der Erkrankung müssen wir vor allem auf eine Begleitmedikation mit Kortison achten. Fragen Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten gezielt nach“, so der Wiener Rheumatologe. „Wir erleben es in der Praxis immer wieder, dass eine Kortisontherapie, die einmal begonnen wurde, niemals abgesetzt wird.“ Der Benefit von Kortison bei hochentzündlichen Krankheitsbildern sei unbestritten, unterstrich Holak. „Wir müssen aber die Indikation sehr streng stellen, eine möglichst kurzzeitige Therapiedauer anstreben und dürfen auch bei jüngeren Personen das Risiko einer Kortisontherapie nicht vernachlässigen.“
Immerhin würden 30 bis 50 Prozent der langfristig mit oralen Glukokortikoiden behandelten Patientinnen und Patienten im Verlauf eine Fraktur erleiden.18 „Dieser Arbeit nach steigt das Frakturrisiko schon bei Glukokortikoiddosen oberhalb von 2,5mg Prednisolon-Äquivalent an.“18 Zwar sei das Risiko für eine Glukokortikoid-induzierte Osteoporose (GIOP) dosisabhängig, so Holak. „Letztlich aber gilt: Es gibt wohl keine Kortisondosis, die sicher für den Knochen ist!“19
Denosumab bei verschiedenen Populationen
Der gegen RANKL gerichtete monoklonale Antikörper Denosumab wird subkutan alle sechs Monate verabreicht. Das Medikament ist indiziert zur Behandlung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen.20 In dieser Population vermindert Prolia signifikant das Risiko für vertebrale, nicht-vertebrale und Hüftfrakturen.11 Denosumab ist weiters zur Behandlung der GIOP und zur Behandlung des erhöhten Frakturrisikos bei Männern mit Prostatakarzinom und hormonablativer Therapie zugelassen.20 „Zu beachten ist der Abfall der Knochenmineraldichte nach Absetzen der Denosumab-Therapie“21, erinnerte Haschka. „Daher sollte ein Absetzen von Denosumab kritisch evaluiert werden und immer eine Konsolidierungstherapie mit Zoledronsäure folgen. Ebenso wie bei einer anabolen Therapie ist eine Konsolidierungstherapie obligat.“22 Die Wirksamkeit von Denosumab wurde inzwischen umfangreich geprüft, wie nachfolgend am Beispiel spezieller Populationen mit besonderen Risikofaktoren zusammengefasst wird.
Hormonelle Risikofaktoren
So gelten auch Östrogen- und Testosteronmangel als starke Risikofaktoren für Osteoporose. „Neben Personen mit unterschiedlichen Formen des Hypogonadismus sind vor allem Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom, die einen Aromatasehemmer (AI) erhalten, sowie Männer mit Prostatakarzinom und hormonablativer Therapie gefährdet, eine Osteoporose zu entwickeln.“1
Für Betroffene gibt es allerdings wirksame Behandlungsmöglichkeiten: So zeigte etwa Denosumab bei Männern mit hormonablativer Therapie eine signifikante Reduktion des Risikos für neue vertebrale Frakturen nach drei Jahren (1,5% Denosumab versus 3,9% Placebo; p=0,004).23
Abfall des Östrogenspiegels
„Das hohe Frakturrisiko unter AI-Therapie wiederum ist vor allem auf den ausgeprägten Abfall des Östrogenspiegels mit besonders hohem Knochenturnover zurückzuführen“,24 so Haschka. Die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Denosumab bei Frauen mit Mammakarzinom und adjuvanter Therapie mit Aromatasehemmern (AI) wurde in der randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten ABCSG-18-Studie untermauert, der einzigen Studie in dieser Population mit Frakturreduktion als primären Endpunkt. Die Studiendaten wurden ausführlicher in einer gynäkologischen SessionC besprochen. Demnach kam es unter Denosumab 60mg subkutan alle sechs Monate zu einer signifikanten, 50-prozentigen Risikoreduktion für klinische Frakturen (176 Frakturen unter Placebo versus 92 unter Denosumab; HR 0,50 [KI 0,39–0,65]; p<0,0001).25 Dieser Effekt von Denosumab war unabhängig vom Alter der Patientinnen und von der Ausgangs-BMD zu beobachten.
Denosumab beim Mammakarzinom
Inzwischen liegen die finalen Daten der Protokoll-definierten Analyse vor.26 Das mediane Follow-up betrug acht Jahre. Der Effekt des RANKL-Inhibitors verstärkte sich über die Zeit. Adjuvantes Denosumab 60mg alle sechs Monate während der AI-Therapie konnte das langfristige krankheitsfreie Überleben (DFS; disease free survival) um knapp fünf Prozent versus Placebo verbessern. In der Placebogruppe gab es 368 Patientinnen mit DFS, versus 309 unter Placebo (HR 0,83; [KI 0,71–0,97]).26 Auch beim Knochenmetastasen-freien Überleben und beim Gesamtüberleben gab es in der Langzeitanalyse signifikante Vorteile in der Denosumab-Gruppe.26 Die in den bisher veröffentlichten Analysen25,27 berichtete Reduktion von klinischen Frakturen persistierte auch in der Langzeitanalyse (201 Frakturen unter Denosumab, 255 unter Placebo). Nach Beendigung der Denosumab-Therapie gab es keinen Anstieg von Frakturen insgesamt. Allerdings gab es bei wenigen Patientinnen unter Denosumab eine erhöhte Wirbelkörperfrakturrate.26 Eine Folgetherapie mit Zoledronsäure wird daher aktuell untersucht (ABCSG-18-ZA).